Machu Picchu
Stephan | 19. September 2011 | 00:02Gelegen auf ca. 2400m auf einem Bergrücken über dem Urubamba Tal, ca 75km von der Inkahauptstadt Cusco entfernt, ist die Ruinenstadt Machu Picchu für fast alle Peru Reisenden ein Muß, und eine der größten Attraktionen Perus und Südamerikas. Offiziell entdeckt 1911, sieht die Stadt heute bis zu 2500 Besucher täglich. Aufgrund der Tatsache, das niemand so richtig weiß, zu welchem Zweck sie erbaut und genutzt wurde, umgibt Machu Picchu ein bißchen ein Schleier des Geheimnisvollen, Spirituellen und Mystischen.
Klar, das Machu Picchu nicht auf unserer Reiseroute fehlen durfte. Nachdem wir uns 2 Tage von unserem Dschungeltrip in den Manu NP erholt haben, machten wir uns auf ins Heilige Tal Richtung Urubamba. Dort in der Nähe besichtigen wir aber zunächst mal die Salinas. In Hunderten Becken am Hang wird salzhaltiges Wasser in der Sonne verdunstet, um Salz fürs Vieh zu gewinnen.
Von dort dann weiter mit dem Zug ab einem kleinen Dorf mit dem unaussprechlichen Namen Ollantaytambo nach Aguas Calientes am Fuß von Machu Picchu. Aguas Calientes ist der einzige Ausgangspunkt für einen Besuch der Anlage, dementsprechend sieht der Ort auch aus. Es reihen sich Restaurants und Souvenirläden aneinander, gemischt mit Hotels und Hostels. Das alles natürlich zu entsprechenden Preisen. Wir hatten uns ein erschwingliches Hostel übers Internet gesucht, um die kurze Nacht dort zu verbringen. Man kann nämlich entweder morgens um 0500 anfangen, die ca. 1700 Stufen den Berg hochzulaufen, um gegen 0600 einer der ersten am Eingang zu sein, oder den Bus um 0530 nehmen – mit dem selben Ergebnis. Zum einen ist es vor 0930 noch nicht so voll mit Reisegruppen, zum anderen wollen viele den Sonnenaufgang über MP erleben, um die mystische Stimmung zu erleben.
Naja, wir als Weicheiverachter haben uns natürlich die Treppen ausgesucht, und so stand der Wecker auf 0400 morgens. Unausgeschlafen dank lauter Zimmernachbarn standen wir dann zum Prasseln des strömenden Regens auf. Shit! Da hatte ich mir mal großzügig Optimismus bezüglich des Wetters gegönnt, und auch die Regensachen in Cusco gelassen, und dann das. Also mal wieder spontan umplanen und auf zur Boleteria, welche um 0500 öffnet, um ein Busticket zu kaufen und möglichst noch vorne in der Warteschlange an den kleinen Bussen zu landen. Die inflationären Preise für Regenponchos nehmen wir ohne Kommentar hin – selbst schuld. Wir haben aber Glück, und sitzen um 0530 im ersten der Busse, die über die Serpentinen nach oben zuckeln. (Später in Puno treffen wir ein Mädel in unserem Hostel, welche ein paar Tage nach uns morgens um kurz nach 0500 schon Hundert Leute vor sich in der Busschlange hatte – von daher hatten wir wohl Glück.) Am Eingang noch mal kurz anstehen, und schon sind wir drin. Richtiger Enthusiasmus kommt aber ob der Wetterlage noch nicht so richtig auf. Dafür registrieren wir amüsiert den Umstand, das wir gerade mit jeder Menge Futter und einer 2.5l Plastikwasserflasche im und am Rucksack rein sind. Soviel zu den riesigen Schildern mit einer langen Liste von Verboten, und den angeblich rigiden Kontrollen.
Auf dem Weg zum Wayna Picchu (einer der Gipfel an einem Ende der Ruinenstadt), welchen wir mit unserem Ticket ab um 0700 besteigen dürfen, sehen wir im Nieselregen und den Wolken noch nicht viel von der Stadt, außer ein paar Lamas, welche den Rasen* auf den Terrassen kurz halten und frei herumlaufen.
An dieser Stelle möchte ich, mit Genehmigung natürlich, aus Silkes Tagebuch zitieren:
”Von irgendwoher schnappen wir auf, das der Wayna Picchu nicht geöffnet werden wird, wegen des schlechten Wetters. Aber wir laufen trotzdem zum Einlaß, wo sich bereits eine mittlere Schlange gebildet hat. Pünktlich um 0700 öffnet sich das Tor, und das “Teilnehmerfeld” auf dem Weg zum Gipfel zieht sich recht schnell auseinander. Daran mag zum einen die Kondition der Leute schuld sein – ein nicht zu vernachlässigender Anteil am Tempo dürfte jedoch auf die interessante Wahl des Schuhwerks zurückzuführen sein: Wildlederslipper und FlipFlops für den Herrn, Stiefelchen oder auch Five-Fingers für die Dame.
Da von der Aussicht eh noch nichts zu sehen ist, mache ich mir irgendwann einen Spaß daraus, das Feld aufzurollen. (Anm. von Stephan: ich hatte noch kein Frühstück, hatte also einen guten Grund für mein gemäßigtes Tempo) Der Weg ist steil und wird nach oben hin immer schmaler, die Steinstufen unregelmäßiger und höher. Einige Leute gehen buchstäblich, als würden sie sich ansonsten nur im Auto fortbewegen und keinen Meter zu Fuß laufen. Nach einer Weile kommt eine Engstelle im Fels, eine Art Tunnel, wo man auf allen vieren durchkriechen muß, was natürlich großes Gekreisch bei den Profi-Wanderern provoziert.
Am geilsten sind noch die Japaner, die mal wieder zahlreich vertreten sind: diese tragen durch die Reihe weiße Wollhandschuhe (Jungs wie Mädels), um sich am Fels und Drahtseilen nicht die Hände schmutzig zu machen, und schießen an jeder möglichen Ecke die typischen steh-vor-Bilder und machen dabei enthusiastisch das Victory Zeichen in die Kamera. Immerhin bleiben sie dabei noch stehen, denn die ganzen Gruppentouris reißen gerne mal nur im Vorbeigehen Kamera und Videogerät hoch, ohne auch nur zu gucken, was sie gerade ablichten. Aber gut, wir sind ja tolerant und beobachten nur.
Das Wetter ist weiterhin ungnädig, und schüttet zwischendurch immer mal wieder eine Wolkenladung Feuchtigkeit über uns aus, woraufhin wir dann schnell unsere farbenfrohen Regenponchos hervorziehen.”
Oben am ziemlich spitzen und steilen Gipfel erwartet uns eine erstaunlich große Terrassenanlage mit einigen Gebäuden. Wir machen es uns gemütlich und picknicken erst einmal, moppeln die kleine Handvoll aromatischer halbreifer wilder kleiner Erdbeeren, die wir (als einzige) an den Terrassen gefunden haben, und warten darauf, das sich unter uns die wild das Tal heraufziehenden Wolken wenigstens einmal lange genug auftun, um einen Blick auf die komplette Ruinenstadt zu erhaschen.
Irgendwann geben wir auf, und machen uns über sausteile Treppen auf den Weg abwärts – im Volksmund auch “camino del mani” genannt (Weg der Erdnuss).
Wir erreichen die Stadt gegen 1030, und sind entsetzt, wie viele Gruppenlindwürmer sich durch die Ruinen schlängeln. Wenigstens hat sich hier unten der Nebel gelichtet, und so suchen wir uns eine möglichst gruppenfreie Route und besichtigen die Stadt. Von mystischer Stimmung ist (erwartungsgemäß) nicht viel zu spüren, aber die Handwerkskunst der Inka ist auch so ziemlich beeindruckend. Seien es die Terrassen an jedem noch so steilen Hang, oder aber die Steinmetzarbeiten an den Häusern und Mauern mit perfekt gefluchteten geneigten Wänden, gleichgeneigten trapezförmigen Eingängen und Dekorwandnischen, oder verzahnten Mauersteinen ohne Spalte.
* hier mal ein Bild von Bingham von 1911, wie MP damals im Original aussah. Quelle: http://archive.livinginperu.com/blogs/features/2408
Am anderen Ende der Stadt gegenüber dem Wayna Picchu, bei der Hütte des Torwächters, beschließen wir, unseren Rundgang mit dem typischen und bekannten Machu Picchu Motiv zu beenden. Ein hilfsbereiter deutscher Tourist schießt ein paar Fotos von uns beiden, was wir natürlich gerne erwidern. Danach macht Silke 2 Bilder von mir, aber während wir noch die Plätze tauschen ziehen plötzlich mit einem Wahnsinnstempo wieder Wolken hoch, so das für Silkes Bild kaum noch Hintergrund bleibt. Eine Minute später ist nichts mehr zu sehen, und es fängt wieder an wie aus Eimern zu schütten.
Da wir für den Weg zurück nach Aguas Calientes kein Busticket haben, die Schlange dort viel zu lang ist, und wir in guten 1.5h unseren Zug zurück nach Cusco erreichen müssen, machen wir uns auf den 1700-Stufen Fußweg nach unten. Da die lustig-bunten Regenponchos am Knie aufhören, sind wir bald richtig schön komplett naß. Aber wir sind auch fix, und nach einer Stunde holen wir unsere Sachen aus dem Hostel, lassen uns in einem der Touri-Restaurants nieder für eine überteuerte warme Suppe und ein wenig Trockenzeit, und sind pünktlich am Zug.
Unterwegs erfahren wir, das die Endstation gar nicht in Cusco liegt (Danke für die Vorabinfo, PeruRail!), aber wie es so mit den Zufällen auf diesen Reisen so steht, sitzt neben uns das gleiche mexikanische Paar wie schon auf der Hinfahrt. Um es kurz zu machen – am Ende fahren wir mit ihnen im Bus ihrer Reiseagentur mit zurück nach Cusco, und müssen nur noch 10 Schritte bis zu unserem Hostel laufen. Dort kriegen wir unser altes Zimmer wieder und fallen erschöpft in die Betten.
Wenn ich so lese, was an Touris selbst in solchen entlegenen Teilen unserer Erde unterwegs ist, dann glaubt man manchesmal aufgrund eurer Schilderungen, man ist in Paris und die Touristen wollen alle auf einmal den Eiffelturm oder Sacre Coeur stürmen, wie Heidi und ich es erlebt haben.
Die Witterungsbedingungen sind schon extrem, wenn sich der Wandel so schnell von schön nach mies vollzieht.