Ein Opossum-Überfall, jede Menge Regen und eine Extraportion Schnee: der Overlandtrack
Stephan | 24. März 2012 | 03:52Von Silke
Die beste Aussicht auf die Landschaft hatten wir am Tag vor dem eigentlichen Treck, wie auf dem Panorama vom Cradle Mountain oben zu erkennen. Danach haben wir ihn nie wieder gesehen. Denn wir haben es mal wieder geschafft, uns mit überwältigender Präzision genau das Wetterloch auszusuchen, welches die größten Unbillen bereithält. Aber der Treck ist vorgebucht, wir können nur entweder starten oder nicht- von daher: der Drops ist gelutscht. Die Vorhersage verspricht Regen sowie Schneeregen ab dem vierten Tag, aber mit dem, was dann kam, haben auch wir nicht gerechnet…
Vorgeplänkel:
Wir werden morgens von unseren Couchsurfing-Hosts noch samt Gepäck zur Bushaltestelle gekarrt, verstauen alles im Überlandbus und werden vier Stunden später mitten im tasmanischen „Nirgendwo“ wieder ausgespuckt. Die asphaltierte Straße verschwindet in engen Windungen am Horizont, links der Straße befindet sich das Visitor Centre, wo wir unsere Treck Permits abholen können, rechts eine kleine Stichstraße, die zum Campingplatz führt. Das Zelt ist schnell aufgebaut, die Rucksäcke verstaut und wir beschließen in den Park zu fahren und schon mal den Cradle Mountain aus der Ferne zu bestaunen, da klares, sonniges Wetter herrscht, was hier nicht so selbstverständlich ist. In ganzer Pracht ragt der zerklüftete Berg mit seinem markanten Zackenrelief über einem tiefblauen Dove Lake auf. Es wird das einzige Mal sein, dass wir den Namensgeber des Nationalparks in voller Schönheit zu Gesicht bekommen werden. Als wir am nächsten Tag mit vollem Gepäck losziehen ist der Himmel wolkenverhangen und die Luft schwer von der Feuchtigkeit des Morgennebels.
Aber zunächst folgen wir dem Boardwalk, welcher sich im Bereich des Ronny Creek durch langes grünes Gras und vorbei an den charakteristischen knorrigen Pencil Pines schlängelt.
Eine Bewegung einige Meter voraus läßt uns plötzlich innehalten. Eine Gestalt, niedrig, gedrungen, fast walzenförmig, bewegt sich langsam über die Holzplanken. Auf einmal bemerkt sie uns, dreht sich kurz in unsere Richtung um und verschwindet dann im hohen Gras an der Seite. Ein Wombat. Unser erster! Wir sind begeistert. Freudig mache ich einen Haken auf meiner inneren „Was ich gerne alles sehen möchte“-Wunschliste. Die knubbeligen Tiere scheinen ein entspanntes Gemüt zu haben, zumindest können wir den Wombat noch eine Weile sich eine Schneise fressend beobachten. Auch auf dem weiteren Weg zeugen immer mal wieder in der Sonne getrocknete Hinterlassenschaften von der Anwesenheit der kompakten Pflanzenfresser.
Am frühen Abend kehren wir zum Zeltplatz zurück. Es ist nicht mehr lange bis es dunkel wird und in den Gebüschen und im Unterholz herrscht zu unserem Erstaunen geschäftige Aktivität. Ein Kraspeln, Zweige knacken, Blätter rascheln und aus dem Gestrüpp schält sich die Silhouette eines Wallabies heraus. Auf dem Weg zwischen Zelt und Amenities Block müssen wir fast aufpassen, wohin wir treten. Alle Nase lang springt plötzlich ein Fellbündel auf den freien Kiesstreifen, kreuzt ihn und verschwindet wieder im Grün.
Opossums, Pademelons, Wallabies. Ich muss mich beherrschen, nicht in verzückte „Gott, sind die niedlich“- Schwärmereien zu verfallen, fülle aber in meiner Begeisterung erstmal eine halbe SD-Karte mit den großäugigen Beuteltieren. Daß der Abend dagegen mit Mordgedanken enden soll, ahne ich da noch nicht. Wir verschwinden erstmal in der Küchenhütte, mit Einbruch der Dunkelheit ist es empfindlich kalt geworden und so genießen wir noch ein letztes Mal den Luxus eines geschlossenen Gebäudes, bevor uns eine Woche zelten erwartet. Unsere Küchensachen nehmen wir mit, alle anderen Vorräte für die Woche inklusive des gesamten Trailfoods bleiben im Zelt. Nach mehrfachem Erkundigen bei der Campingplatzrezeption vertrauen wir auf die Aussage der Angestellten, dass die Sachen im Zelt sicher sind. Wir wollten sämtliche Vorräte ursprünglich im Kitchen Block einlagern oder hochhängen. Hätten wir uns mal auf uns selbst verlassen. Stephan kehrt nach dem Abendessen als erster zurück zum Zelt- oder vielmehr zu dem, was davon übrig geblieben ist. Als er das Zelt aufmacht, blickt er in die großen runden Augen von zwei fetten Opossums, die inmitten eines Schlachtfeldes sitzen und sich in aller Gemütsruhe aus unserem Trailfood ihr abendliches Menü zusammenstellen. Was nun lustig klingt, ist gar nicht witzig, wenn man am nächsten Morgen auf eine einwöchige Wanderung aufbrechen will, die Permits nur für einen bestimmten Zeitraum gelten, alles schon bezahlt ist und man auf einen Scherbenhaufen an Ausrüstung blickt. Zunächst ist jedoch das größte Problem, die Opossums loszuwerden, denn die denken gar nicht daran, das Buffet zu verlassen. Stephan treibt sie schließlich mit einem großen Stock aus dem Zelt, unter Fauchen und Zischen der Tiere. Als ich zur Szenerie dazukomme, kann ich es nicht fassen. Im Außenzelt klafft ein riesiges Loch, das Innenzelt ist zersiebt, die Viecher müssen solange am Stoff hochgesprungen sein, bis sie durch einen entstandenen Riß eindringen können. In unserer Ausrüstung herrscht ein heilloses Chaos: überall Fellbüschel, die Schlafsäcke und Isomatten eingepißt und voller Opossumscheiße, meine Matte hat ein Loch von einer Kralle und das alles garniert mit den Überresten unseres Essens. Bananenschalen, aufgefressene Ziploc-Beutel mit Müsli-Milchpulver-Mix, Energieriegel-Leichen und Brotbrösel. Ganz toll. Es ist 23.30 Uhr, natürlich fängt es auch noch an zu regnen und nun das. Ich kann mich eine Weile zwischen Frust, Ekel und Wutanfall nicht recht entscheiden und so zerren wir erstmal alles aus dem Zelt heraus. Stephan beginnt unsere Ausrüstung in den Küchenblock zu tragen und kommt mit einem Wischeimer wieder. Ich versuche die eklige Mischung, die dazu noch bestialisch nach Wildtier stinkt, aus dem Zelt zu wischen und versuche das Innenzelt mit meiner Nähausrüstung zu retten. Nach 1,5 Stunden sieht das Innenzelt aus wie ein schlecht geflickter Schweizer Käse. Stephan hat derweil unsere Ausrüstung abgewaschen und im mittlerweile menschenleeren Küchenblock zum trocknen ausgelegt. Zum Glück habe ich noch Reparaturkleber dabei und so können wir meine Isomatte flicken. Eine genauere Inspektion unserer Nahrungsmittelvorräte ergibt dann auch, daß die Katastrophe nicht ganz so groß ist, wie befürchtet. Es ist hauptsächlich mein Trailfood und meine Frühstückstüten sowie die Frischware betroffen. Stephan´s Ration ist weitgehend unberührt. Das Chaos im Zelt ließ den Verlust größer erscheinen, als er war. Trotzdem ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Das Zelt stinkt wie Sau, dort können wir nicht schlafen, wir sind hundemüde, es ist mittlerweile zwei Uhr nachts. Nach einigem Hin-und-her beschließen wir, uns verbotenerweise im Küchenblock auf den Holzbänken in einer Ecke für die Nacht einzurichten.
Das nächste Highligt ist dann ein Typ, der schon um 5.30 am hereinkommt und umständlichst anfängt mit einem Schneebesen in einer Metallschale Pfannkuchenteig anzurühren. Und dass, obwohl Mylady dann erst um halb acht zum Frühstück antanzt. Als ihm die Milch zwischendurch überkocht, ist die Schadenfreude kaum zu unterdrücken und Stephans akute Mordlust wird etwas gedämpft. Gegen sieben füllt sich der Hut und neben einigen irritierten Blicken fallen natürlich auch ein paar dumme Sprüche, die ich völlig übermüdet gerade gar nicht vertragen kann. Den Tagesbeginn rettet dann ein älterer Herr, der eine Rieseespressomaschine hereinschleppt und mir dann einen Milchkaffee vorbeibringt. Danach machen wir uns daran, unseren Kram zu sortieren. Das Zelt ist nicht mehr wirklich eine Option, leider ist es auch noch geliehen. Ganz toll. Wir überlegen, ob wir uns auf ausreichend Schlafplätze in den Huts verlassen können und beschließen, dass wir wohl keine große Wahl haben, wenn wir das Unternehmen nicht abbrechen wollen. Meine gekillten Müsliriegel ersetze ich im Campingshop zu überteuerten Preise, aber immerhin. Alles in allem haben wir wohl noch Glück gehabt, dass das Ganze hier passiert ist und nicht irgendwo mittendrin, wo wir weder so „bequem“ unsere Ausrüstung hätten versorgen, noch das Verlorene ersetzen können. Mit über fünf Stunden Verspätung brechen wir dann am Spätvormittag doch noch auf und schleppen unsere beachtlich schweren Rucksäcke auf den Trail.
Tag 1: Cradle Mountain zum Waterfall Valley Hut
Pünktlich zum Trek-Beginn hat sich da vielversprechende Wetter von gestern nachmittag geändert und wir stapfen in eine diesige, milchig-graue Suppe hinaus. Der malerische Weg von gestern ist kaum zu erkennen. Zum Glück ist die erste Etappe nicht weit und da wir trotz des Spätstarts noch vor dem ersten Tagesbus losgekommen sind, treffen wir als erste des Tages am Hut ein. Im Waterfall Valley erwartet die Wanderer ein fast nagelneuer, moderner Hut- allerdings auch mit einem großen Bunkbett-Lager mit Verbindung zum Aufenthaltsbereich. Da wir krachmüde sind, entscheiden wir uns, mit dem alten, windschiefen Bunkhouse Vorlieb zu nehmen, wo nur vier Betten drin sind und spekulieren auf ungestörte Nachtruhe. Wir haben auch tatsächlich Glück- die Trekker, die nicht im neuen Hut bleiben, bauen Zelte auf und nutzen den Hut nur als Storage für die nassen Klamotten und Essensvorräte. Über den Weg lohnt es sich leider nicht, viele Worte zu verlieren. Er war kaum sichtbar. Und so fielen auch automatisch die geplanten Sidetrips aus. Nach dem anstrengenden Weg hoch zum Marion´s Lookout sollte es eigentlich auf den Cradle Mountain gehen- mit Regen und Nebel jedoch wenig empfehlenswert bis gefährlich. Das gleich gilt für den Trip zum Barn Bluff Mountain. Letzterer taucht später immerhin kurzzeitig mal aus der Wolkendecke auf und erhebt sich über dem Tal, wo der Zeltplatz sich befindet. Immerhin gibt es Wallabies. Als ich nach zwei Stunden Döserei mit einem Kaffee in der Hand vor die Hut-Tür trete schleudere ich diesen in einem Anfall von Enthusiasmus leider in weitem Bogen von mir, als ich zum Zeigen aushole. Stephan rettet die gefährdete Laune, indem er den Kocher nochmal zum Singen bringt und ich krieche in der Hocke durch die Wiese und beobachte die pelzigen Springer.
Tag 2: Windermere Hut
Das Wetter hält sich. Es bleibt konstant naß. Immerhin können wir bereits sagen, dass unsere Jacken wohl zu den wasserresistentesten Modellen unter den bemühten Modellen gehören. Irgendwann ist zwar alles von außen durchweicht, wir sind aber unter den wenigen, die nicht ihre Innenjacken auswringen müssen. Auch sind die Lederschuhe natürlich vollgesogen, aber zum Glück sind die Füße noch trocken. Wir entscheiden uns, am Windermere Hut zu bleiben, es ist zwar noch früh und wir wollten eine Doppeletappe laufen, um Zeit für Sidetrips zu gewinnen, aber im strömenden Regen macht das keinen Spaß. Schnell füllt sich der Hut mit ebenfalls Gestrandeten, darunter eine ältliche Gruppe Wanderer, die jedoch in Privatlodges mit Vollverpflegung übernachten und einer 20-Mann-Truppe von der Army. Im Nu ist das Klima in der kleinen Hütte wie im Tropengewächshaus des botanischen Gartens und die Mischung aus Schweiß, feuchten Klamotten und Schuhen, Kochergas und Essensgeruch ist eher anstrengend als anheimelnd. In einer Regenpause wandere ich noch kurz zum Lake Windermere hinunter, um zu dokumentieren, dass wir auch wirklich da waren. Ansonsten gehen wir nur noch raus, um den unvermeidlichen Gang zum Plumpklo anzutreten, welches gut 400m vom Hut entfernt liegt. Den Abend verbringen wir mit herumsitzen und zwischen den Leuten entsteht ein kleiner, erstaunlicher „wer kocht am schnellsten“ und „wer hat das luxuriöseste Essen dabei“ Wettbewerb, den wir klar verlieren. Unsere Kombi aus Tütensuppe mit Schnellkochreis kann gegen ganze Menüs aus Pudding, frischen Erbsen und Thunfischdosen nicht anstinken. Dafür ist Stephan ein dankbarer Futterverwerter und schnell fangen die anderen an, ihm die Reste ihres Sterne-Dinners rüberzuschieben. Wir fragen uns nur, wo sie das alles lassen, unsere Rucksäcke sind auch so schon schwer genug. Einzig offensichtlicher Unterschied ist, dass manche Hünen einfach Riesenpacks buckeln und nicht alle Zelte dabei haben.
Tag 3: Pelion Hut
Ist es nicht entspannend, wenn auf Dinge Verlass ist? In stoischer Beständigkeit weicht der Regen den Boden auf. Die Boardwalks, die zum Teil sowieso schon in erbarmungswürdigem Zustand ist, so dass wir uns fragen, wieviel Trailconservation denn mit den stolzen Permitgeldern betrieben wird, sind teilweise kaum noch zu erkennen und machen das laufen unangenehm glitschig. Quer über dem Trail breiten sich knietiefe Puddles aus, die irgendwann auch nicht mehr zu durchwaten sind. So ist die erhoffte szenige Wanderung durch unberührte Natur Tasmaniens eher ein Stapfen mit heruntergezogenen Kapuzen und hochgezogenen Schultern. Hinter den Frog Flats machen wir Mittagspause, setzen die Rucksäcke kurz ab, aber alles ist naß und man wird schnell kalt.
Also trotten wir unserem Tagesziel, dem neuen und großen Pelion Hut entgegen. Dort angekommen, besetzen wir einen kleinen Bunkraum, hängen unser feuchtes Equipment auf (also fast alles) und kochen erstmal. Nach und nach treffen bekannte Gesichter der Vortage ein und der Geräuschpegel steigt. Gegen sechs sind allerdings Anne und Will, zwei Melbourner um die 50 Jahre, noch immer nicht im Hut eingetroffen. Wir wissen, dass Anne etwas mit ihrem Pack und dem schwierigen Weg kämpft, als ich höre, dass andere die beiden getroffen haben und Anne wohl gestürzt sei, beschließe ich, nach ihnen zu schauen. Ich laufe den Weg zurück und nach nur zwanzig Minuten kommen sie mir entgegen. Ich nehme Anne, die wohlbehalten, aber ziemlich fertig ist, für die letzten zwei km ihren Pack ab und gemeinsam laufen wir am Hut ein. Die beiden legen sich auch erstmal trocken, stoßen zu uns in unserem 4-er Bunk-Room (unverhoffter Luxus) und dann wird gekocht. Stephan entwickelt eine nachhaltige Faszination für die laut fauchenden, aber extrem schnellen Jetboil-Kocher, die die Airforce-Jungs im Gepäck haben und so werden einen Gutteil des restlichen Abends die Vorzüge und Nachteile diverser Kocher erörtert. Nebenbei fängt es draußen an zu schneien und als wir irgendwann zwischen geerbtem indischen Linsencurry (von Will und Anne) und einem reichlich belegten Luxussandwich (von dem Guide der Seniorenmannschaft, der meinte, sie essen eh in einer Stunde in der Herberge zu Abend und er bräuchte es nicht mehr…) auf die Außenveranda treten, ist der ganze Sumpf um den Hut und der Mt. Oakleigh im Hintergrund bereits weiß überzuckert. Unfassbar. Ab jetzt rechnen wir wettertechnisch mit allem!
Tag 4: Sidetrip zum Mount Oakleigh und Weiterwanderung zum Kia Ora Hut
Der nächste Morgen überrascht mit dichtem Schneetreiben, was uns veranlasst, das Frühstück etwas auszudehnen. Gegen acht klart es dann jedoch auf, und der Mount Oakleigh taucht im Hintergrund auf. Verheißungsvoll ragen seine Felssäulen in den Himmel. An dieser Stelle wäre die letzte Gelegenheit für mich, zu einem Gipfelerlebnis zu kommen, während Stephan sein Knie schont. Der noch folgende Mt. Ossa Gipfel liegt mitten in der Tagesetappe und ein warten vor Ort wäre bei den Temperaturen für Stephan kaum zumutbar. Da auch Will´s Partnerin Anne nicht scharf auf zusätzliche Höhenmeter ist, machen wir einen Partnertausch und ich starte mit Will in den Bush.
Was gar nicht so einfach ist, da Regen und Schnee den Trail durch den Sumpf unpassierbar gemacht haben. Wir schlagen uns eine Weile durch wegloses Gelände, ständig bricht man in irgendwelche Löcher ein, eiskaltes Wasser läuft mir in den Stiefelschaft- wir verplempern eineinhalb Stunden auf der Wiese, ohne einen Weg hinüberzufinden, der auch noch an einer den Fluß passierbaren Stelle endet. Einen witzigen Anblick bieten zwischendurch die langohrigen Wallabies, die im Sumpf hocken, offensichtlich ohne unsere Einsinkprobleme, und wie überdimensiole Osterhasen im Schnee wirken.
Schließlich kehren wir um und schlagen uns in einem Bogen am Waldrand lang durch dichtes Gestrüpp und dornige Ranken auf die Stelle zu, wo wir den offiziellen Trail vermuten. Von hier erreichen wir nach einer Weile tatsächlich etwas, was wohl bei gutem Wetter mal ein Weg gewesen sein muss. Aber wo wir nun schon mal unterwegs sind, wollen wir nun auch noch etwas höher hinaus. Schließlich sind wir am Wandfuß angekommen und es sind nicht nur Gleichgewicht und Kletterkraft, sondern auch ein gerüttelt Maß an Wegfindungsfertigkeit gefragt. Von gut markiert kann hier keine Rede sein und so geht es im Zickzack durchs Unterholz.
In der folgenden Stunde kämpfen wir uns immerhin so hoch, dass wir an einen Punkt gelangen, von welchem wir etwas Aussicht haben. Der Gipfel ist jedoch noch gut entfernt. Will muss jedoch zurück, damit er gemeinsam mit Anne die Tagesetappe noch in langsameren Tempo bewältigen kann. Auf dem Rückweg kommt dann tatsächlich noch für ein paar Augenblicke die Sonne durch, so dass wir mit etwas sehnsüchtigem Blick auf den freiliegenden Gipfel zurückschauen. Schick ist er. Aber bei den Witterungsverhältnissen sollte man auf jeden Fall so unterwegs sein, dass man etwas Puffer hat und noch bei Tageslicht den nächsten Hut erreichen kann.
Bei unserer Rückkehr werden wir von Anne und Stephan schon mit heißem Tee erwartet, den wir gut gebrauchen können. Dann folgt noch ein schnelles Mittagessen und wir schultern die großen Rucksäcke, um die heutige Tagesetappe bis zum Kia Ora Hut unter die Füße zu nehmen. Unterwegs zeigt uns das tasmanische Wetter dann nocheinmal, zu was es alles im Stande ist. Am Pelion Gap stehen wir auf einmal mitten in einem Blizzart. Kompletter White Out binnen Minuten. Zum Glück ist es nicht allzu weit von hier bis zur Hütte. Als wir dort am frühen Abend einlaufen, ist der Common Room schon gesteckt voll mit nassen Trekkern. Aber wir haben Glück, die meisten sind die Airforce Jungs- und die armen Schw*** müssen zelten. Für uns bleibt noch genug Platz in den Bunks und wir tragen unseren Teil zur lustig-bunten Nasse-Klammotten-Ausstellung in den Dachsparren bei. Mittlerweile bin ich übrigens die einzige mit trockenen Füßen, selbst Stephan geht inzwischen mit Tüten im Schuh. Die meisten dummen Sprüche muss sich allerdings ein holländisches Geschwisterpaar Anfang zwanzig gefallen lassen, die dermassen schlecht ausgerüstet auf diesen Treck gegangen sind, dass es irgendwo zwischen dumm, fahrlässig und ignorant bewertet werden muss. Na ja, wer auf einen solchen Treck ohne Regen- und Thermokleidung, mit Jeans, Chucksund Sneakersöckchen geht, nicht genug Essen und Gas dabei hat, der muss wohl mit ein paar dummen Sprüchen leben lernen. Stephan´s heutige Nahrungsergänzung besteht aus Chili sowie Tropical Pudding zum Nachtisch, der bei den Vier-Sterne-Köchen anfällt und wir überlegen schon ernsthaft, ob wir überhaupt noch selber kochen sollen. Während wir noch einem tasmanischen Pärchen beim Apfelkompott (!) kochen zuschauen, fallen draußen noch weiter beachtliche Schneemengen und decken langsam die Hütte zu.
Tag 5: Bert Nicols Hut via Du Cane Gap und weiter bis zum Narcissus Hut
Schon mal 25 km im Schnee gespurt? Wenn ja, dann weißt du, wie anstrengend das ist. Die letzten Tage war immer die Army als erste unterwegs, trotz Zeltabbau, heute jedoch sind sie wohl spät dran. Nach nur 10 Minuten ist es vorbei mit luxuriös festgetretenem Schnee durch 20 schwere Jungs. Dann haben wir sie eingeholt und nach einer kurzen Schneeballschlacht, überholt. Mehr als einmal ist sehr genaues hinschauen erforderlich, um auf Spur zu bleiben und an einer Stelle finden wir nur nach anhaltender Suche den richtigen Pfad. Die Strecke wird immer unwegsamer und durch die tief unter ihrer Schneelast herunterhängenden Zweige ist auch dort oft kein Trail mehr zu erkennen, wo eigentlich einer sein müsste. Kurz bevor wir auf Höhe des Du Cane Caps sind, bricht aus dem Weiß auf einmal eine Männergestalt hervor. Was für ein Glück. Es handelt sich um den Ranger des Bert Nicols Hut, welcher sich auf den Weg gemacht hat, um den Weg aus der Gegenrichtung zu markieren. Das erweist sich als echter Glückstreffer, denn im Wald wird es immer schwieriger, etwas zu erkennen. Ohne die Spurhilfe des Rangers hätten wir ganz schön zu kämpfen gehabt. Nach dem er die Anzahl der Leute auf der Strecke und im Kia Ora Hut von letzter Nacht von uns erfragt hat, und ob wir die ersten seinen, setzen wir unseren Weg fort.
Gegen zwölf sind wir am Bert Nicols Hut, hängen unser Geraffel zum Trocknen auf, machen im Ofen im Gemeinschaftsraum ein Feuer und uns etwas zu essen. Wir sind gerade wieder am zusammenpacken, wir wollen noch eine Etappe dranhängen um am Ende entlang des Lake St. Clair rauslaufen zu können, anstatt mit dem teuren Katamaran zu fahren, trudeln das durchgefrorene holländische Geschwisterpaar ein. Immerhin haben sie überlebt. Was sie nicht dazu bewegt, ihre Klamotten vor dem Aufhänge auszuwringen. Aber gut, man soll ja tolerant sein…. Wir verstauen also unser Kochgeschirr, zwiebeln die Klamottenschichten in verschiedenen Feuchtigkeitsstadien wieder über unsere Körper und füllen die Camelbacks mit Wasser nahe am Gefrierpunkt nach. Anwärmen ist wegen Gasverbrauch leider nicht drin, sonst ist die abendliche Suppe in Gefahr. Dann machen wir uns auf, um die letzten zehn Kilometer zum Narcissus Hut hinter uns zu bringen. Ein Vorteil des Wetters ist, dass es jetzt wenigstens nicht mehr ganz so nass von oben ist und man auch mal etwas den Blick schweifen lassen kann. Dafür muss ich leider feststellen, dass meine Regenhose den Härtetest nicht bestanden hat und mir der beständige Wasserdruck vom Schneeabstreifen einen nassen Schritt beschert. Die Räumlichkeiten des Narcissus Hut sind im Vergleich zu Pelion und Waterfall Valley wohl nur als rustikal-vernachlässigt zu beschreiben. Immerhin ist er nicht überfüllt. Die meisten Leute wählen wohl die bequeme Variante am Bert Nicols Hut zu übernachten, am nächsten Morgen zur Narcissus Bay zu laufen und sich dann rausfahren zu lassen. Wir widmen uns dem bereits vertrauten Prozedere des Klamottentrocknens, verstauen unsere restlichen Lebensmittel in den mäusesicheren Stahlboxen und schauen beim Zähneputzen vor dem Hut einem nach Essensresten suchenden Opossum zu.
Tag 6: Lake St. Clair via Lakeside und Rückfahrt nach Hobart
Der Trail windet sich auf seinen letzten 18 km bis zum Visitor Centre am Lake St. Clair in beständigem auf und ab an den Ufern des Sees entlang. Wir haben den ersten Tag prallen Sonnenschein. Eigentlich perfekt. Leider sind Stephan und ich uns an diesem Tag nicht ganz grün, ich mache Tempostress, Stephan ist unmotiviert und energielos und so muffeln wir uns in disharmonischem Nicht-Miteinander ans Ziel. Schade eigentlich. Denn die Strecke ist ganz malerisch mit großen, knorrigen Bäumen, schicken felsigen Buchten, Farngebüsch, Pencil Pines und einmal kann ich sogar einen Familientrupp schwarzer Kakadus, riesiger lärmender Papageienvögel, beobachten. Außerdem finde ich eine Papageienrupfung auf dem Weg und sammele eine ganze handvoll wunderschön blau glänzender Federn ein. Richtig ausgemault haben wir uns jedoch erst am Ziel. Stephan ist froh den schweren Pack und die nassen Schuhe loszuwerden und als das passiert ist, bekomme ich sogar noch einen überteuerten Luxuskaffee aus dem Restaurant des Visitor Centres. Schlammig und dreckig wie wir sind treffen wir spät abends dann mit dem Überlandbus wieder in Hobart ein und laufen bei Eugene in der Wohnung ein. Großartigerweise hat er sogar für uns gekocht, obwohl er steif und fest behauptet, kochen gar nicht zu mögen.