Kiwi Stuff
Silke | 15. März 2012 | 10:59Manche Sachen fallen einfach auf, wenn man ein fremdes Land bereist. Weil sie exotisch sind, neugierig machen, in großer Zahl vorhanden, anziehend, abstoßend oder einfach nur anders. Hier mal eine kleine Sammlung aus drei Monaten Neuseeland:
Immer mal wieder kamen wir an ziemlich originellen Briefkästen vorbei, vor allem im Hinterland. Bleibt zu hoffen, dass nicht nur Rechnungen und Mahnungen darin landen werden…
Neuseeland hat nicht umsonst den Ruf, eine grüne Insel zu sein. Stundenlang kann man durchs Hinterland fahren und sieht wenig mehr als Hügel mit verschiedener Vegetation. Besonders auffällig ist zum Beispiel der Flax, der als dichtes langblättriges Gewächs vor allem Küstenstreifen säumt. Von den Maoris wurde er auch gerne als Pflanzenfaser zur Herstellung verschiedener Gebrauchsgegenstände und Kleidung genutzt.
Wahre Baumveteranen sind die jahrhundertealten, extrem langsam wachsenden Kauri-Bäume, die wegen starker Abholzung fast nur noch an der Westküste der Nordinsel zu finden sind. Neben einem solchen Koloß kann man sich schon mal recht zwergig fühlen.
Als wir im Advent in Auckland ankamen, stand der Christmastree schon in voller Blüte. Wer brauch da noch eine Tanne?
Allgegenwärtig ist jedoch der Farn. Er ist das Gewächs, welches das Bushland erst zum Bushland werden lässt. Dicht, grün, immer wieder anders entrollen sich die Blätter von unzählige Arten von verschiedenen Farnarten, wo immer man sie lässt. Besonders gefallen haben mir die eingekringelten kleinen Sprosse, wo immer noch wieder ein Kringel drinsteckt 🙂
In Neuseeland ist Barfußlaufen ganz groß. Egal, ob man in die Bank geht, in den Supermarkt oder in eine Shoppingmall- überall trifft man Leute jeden Alters vom Dreikäsehoch bis zum Rentner, die einem barfuß entgegenschlappen. Und keiner findet es bemerkenswert, während man bei uns wohl schon schaut, wenn man jemanden außerhalb von Strand, Park und Garten ohne Schuhe antrifft. Wer nicht barfuß geht, trägt Flipflops. In einer Zeitschrift auf einem Campground haben wir sogar Hochzeitsfotos eines Paares gesehen, auf welchem er Anzug und Flipflops trägt.
Wenn die Kiwis trekken gehen, wird allerdings propere Ausrüstung bevorzugt. Erste Wahl sind immer kurze Hosen, darunter Merino-Longjohns und dazu Gaiter mit Stiefeln, egal ob es sich bei 30 Grad Celsius um einen Bushwalk handelt, oder bei 5 Grad Celsius auf einem Vulkan herumgeklettert wird. Schon lustig.
Weetbix und Toast (ähem, BROT) for a balanced diet- nicht unbedingt, womit wir als Vollkornbrotesser und Birchermüslikonsumenten hinter dem Ofen hervorzulocken wären, aber die Auswahl von 50 verschiedenen Toastsorten (wahlweise Sandwich- oder Toast sliced), ist trotzdem beeindruckend.
Proudly New Zealand owned, produced, operated…. der Nationalpatriotismus in Neuseeland ist allgegenwärtig, was besonders auffällig ist, da ein solcher in Deutschland ja praktisch nicht (mehr) vorhanden ist. So findet man überall Hinweisschilder, die klarmachen: hier ist man stolz, ein Kiwi zu sein!
Rugby… All Blacks rulez
Was den Deutschen der Fußball, ist den Kiwis der Rugby. Kein Sport für Pussys, wie wir lernten und das, wo wir nur gesehen haben, wie sich eine lokal bekannte Mannschaft nach allen Regeln der Kunst vertrimmt. Das Schönste ist eigentlich, wenn alle immer noch schieben, ohne zu realisieren, dass das Ei schon längst auf der anderen Seite des Spielfeldes ist. Wirklich beeindruckend ist auch, wenn diese 100kg-Jungs sich gegenseitig hoch in die Luft heben, um den Ball aufzufangen. Ansonsten konnte ich den Hype nicht so nachvollziehen, aber ich mag ja auch kein Fußball.
Van, Monster-Camper oder SUV, es kann nur drei Möglichkeiten geben, ansonsten scheint man in NZ nur ein halber Mensch zu sein. Und tatsächlich fahren auf den Straßen neben unzähligen einheitlich weißen Rental Cars auch ziemlich fantasievoll zurechtgemachte rollende Häuser herum. Nicht selten sah unser “beiger Klecks” ziemlich zwergig neben diesen Schlachtschiffen aus, dafür wette ich, dass diese Teile nicht wie unserer mit 8,5l Diesel auf 100 km ausgekommen sind. Wer nicht in einem Van sitzt, bevorzugterweise japanischer Marken wie Toyota oder Nissan, der wählt doch bitte einen 4WD SUV, der als Mindestausstattung mit Luftansaugeschlauch daherkommt.
Das Wort “Kiwi” ist in Neuseeland nicht nur für die bei uns bekannte Frucht reserviert (von welcher es hier sogar eine goldene neben der grünen Sorte gibt), es meint vor allem einen Vogel, der sogar auf der neuseeländischen 1-Dollar-Münze erscheint.
Neuseeland ist wohl das einzige Land, in welchem es nicht nur erlaubt ist, Opossums zu töten und zu jagen, sondern die Öffentlichkeit noch durch mehr oder weniger blutrünstige Broschüren mit Tipps versorgt wird, wie die Pelzträger denn am besten um die Ecke zu bringen sind. Opossums sind somit nicht nur das meistgejagte Pelztier der Insel, sondern auch Arbeitgeber der Pestcontrol. Diese stecken beträchtlichen Aufwand in das Aufstellen von Fallen in den “Kiwi Zones”, auf dem Kepler Treck habe ich über 150 Fallen auf 10 km Wegstrecke gesehen und auf dem Croesus Treck gab es auch alle 200m eine der tötlichen Boxen. Der ganze Aufwand ist eigentlich nur nötig, weil die tierische Ikone der Neuseeländer der flugunfähige, bodenbewohnende Kiwi ist, der leider auf dem Speisezettel der Possums steht. Und da der Kiwi (sowie einige andere bodenlebende, nachtaktive, nicht besonders verteidigungsstarke Kreaturen) hier endemisch ist und das Possum eine “eingeschleppte Pest”, ist eigentlich klar, wem die Volkssolidarität gehört. Immerhin nennen sich die Einwohner selbst “Kiwis”.
So gibt es Brutprogramme, wo die Eier der seltenen Vögel aufwändig gehegt und gepampert werden, um den Tieren einen sicheren Start ins Leben zu ermöglichen. Um einen Kiwi in der Wildnis zu sehen, muss man schon ziemlich viel Glück haben, den obwohl der Vogel nicht besonders gut sieht oder wegfliegen kann, ist er halt auch nicht so häufig, als dass man beständig über ihn stolpert. Weitaus öfter sieht man dagegen Warnschilder, die den Autofahrer dazu anhalten in die beträchtliche Menge roadkill nicht unbedingt das Federvieh hineinzumischen. Bei Possums ist man da weniger zimperlich. Die buschigen Schwänze wehen im Vorbeifahren allethalben hinter einem plattgefahrenen Körper auf.
Die Maori sind die Native People Neuseelands und bewohnen heute hauptsächlich Gebiete der Nordinsel. Besonders um Rotorua herum gibt es Angebote und Touren für Reisende, um ihnen einen Einblick in ihre Kultur zu geben. So kann man in den Dörfern, die um die thermisch aktiven Quellen liegen, traditionelle Kochweisen erklärt bekommen, die Versammlungshäuser besichtigen und an einer Art Kriegstanzschau, einer für die Touristen zurechtanimierten Version ihres traditionellen Hakas teilnehmen, der insbesondere gruselige Grimassen und eine Menge Lärm und Gestämpfe enthält, um die Gegner einzuschüchtern. Das Nationalteam der Rugbyspieler Neuseelands, die All Blacks, machen genau das auch vor jedem Spiel in Front vor ihrer gegnerischen Mannschafft. Wer wissen will, wie das aussieht, sucht mal bei “You tube” nach “All Blacks” und “Haka”.
Kumara ist eine Art Süßkartoffel, die man hier überall in den Supermärkten kaufen kann. Schmeckt besonders lecker als knusprige Ofenkartoffel. Yum.
New Zealand Jade oder “Pounamou”, wenn man das Maoriwort benutzen möcht, findet man inbesondere im kleinen Ort Hokitika an der Westküste der Südinsel. Hier wird der Stein, den man hauptsächlich in Flußbetten findet, seit Jahren traditionell gesammelt und bearbeitet. Viele Maori tragen einen Stein mit althergebrachten Formen und Symbolen die besondere spirituelle Bedeutungen haben. Besonders Fischhaken (Verbindung zum Meer) und Spiralmuster (angelehnt an einen Farnspross) findet man häufig. Es sind aber auch vielerlei moderne Formen zu finden und man kann zwischen verschiedenen Jadearten wie zum Beispiel Flower Jade auswählen.
Grottige Internetverbindungen und unsere einzige Rettung in Sachen “Free WiFi”: Was in ganz Südamerika in den Hostels Standard ist (und meist in guter Qualität erhältlich), sucht man im zivilisierten Erste-Welt-Land Neuseeland vergeblich. Da blieb nur eins: Kaffee trinken beim einzigen zuverlässigen Provider (gut, dass die Fast-Food-Begeisterung in NZ größer ist, als das Datenkabel dick…)
Bei uns gibt´s Eis und Schokolade an der Tanke, hier gibt´s Whitebait. Kleine Minifischchen, die die Angler sowohl als Köder benutzen, wie auch wie sie komplett in Omelettes geschmissen und ausgebacken werden. Ist allerdings kein billiges Vergnügen. Mit 50 NZD ist man dabei.
Hummus hätte ich generell eher mi dem Fernen Osten verbunden, aber da sich im Supermarkt im Kühlregal mehr als nur eine kleine Auswahl findet und das britische Erbe in Sachen Brotbelag nur mit zweifelhaften Dingen wie Vegemite (schmeckt wie konzentriertes Maggie mit einem Hauch Alge und Fischfutter, zumindest für unsere Zungen) und Cheddar verschiedener Reifegrade daherkommt, wurden auch wir bald zu eifrigen Konsumenten. Unsere klaren Favoriten: Sundried Tomato, Spicy Capsicum und Spinach Feta.
Schon mal morgens aufgewacht und am Camper haben die Wischerblätter gefehlt? Oder der vor´s Zelt gestellte Kochtopf ist über Nacht drei Meter weitergewandert? Sicherlich war ein Kea in der Nähe. Die extrem neugierigen und kecken Bergpapageien, die mit Vorliebe Dinge auseinandernehmen oder sich mit dem Gummi von Turnschuhen, Autos oder Rucksäcken ihr Menü zusammenstellen, trifft man besonders in den Berglagen der Südinsel wie am Mt. Cook National Park oder bei Fox Glacier. Auf den Fotos seht ihr einen recht jungen Vogel den Zeltnachbarn beim “Abwasch helfen”.
Tja, wenn das Gehirn dreißig Lebensjahre und immerhin 12 Autofahrerjahre auf Rechtsverkehr gedrillt wurde, ist es gar nicht so einfach, wenn plötzlich auf einmal alles andersrum geht. Besonders zu schaffen gemacht haben mir mehrspurige Kreisel, aber auch das etwas andere Vorfahrtsrecht beim Abbiegen zwingt doch auch nach einiger Zeit zu bewußtem Nachdenken, bevor man sich zum Fahren entscheidet. Wie auch immer, nach einer Weile geht´s ganz gut, auch wenn ich immer noch manchmal nach Gegenverkehr im toten Winkel gesucht habe, der ja eigentlich von vorne kommt….
Diese Sammlung könnte noch einiges weitergehen, wie zum Beispiel mit Surfen und Bodyboarden, den allgegenwärtigen Liquor Stores, dem Eftpos-System, lustige fixe Grigri-Aufbauten in Hallentopropes usw., aber dies soll ja nur eine kleine Sammlung der Sachen sein, die uns am meisten als unterschiedlich gegenüber zu Hause oder als typisch für hier ins Auge gesprungen sind.
Ich würd sagen: toll geschrieben und gut genug für jeden Reiseführer und manches Sachbuch! Vielleicht wäre das ja ein alternativer Tätigkeitsbereich für die Zeit nach dem großen Trip – reisen und dann anschließend Berichte darüber schreiben. Und vom Buchverkauf die nächste Reise unternehmen. Ich würd auch als „Kofferträger“ mitkommen.
Auf unserer Tour sind uns auch die unterschiedlichsten Briefkästen aufgefallen. Ich glaube, daß man an einigen sogar erkennen konnte, welche Tätigkeit der Eigentümer ausübt. Wir können ja dann später mal Bildvergleiche vornehmen.
Für die Kiwi-Ernte waren wir zu früh. Die findet ja im April statt, aber auf einer Farm waren wir auch und haben uns unter anderem die fast reifen Früchte angesehen. War schon interessant.
Danke dafür, daß Ihr unsere Erinnerungen wieder wachgerüttelt habt.
Sehr schön, ein wirklich gelungener Bericht, der Besonderheiten von Land und Leuten deutlich macht und und einblicke gibt in die andere Lebensart. Ich bin deutlich kenntisreicher geworden-danke schön ihr beiden!!!!!!!