“Jurassic Park” 1 und 2
Silke | 8. Oktober 2011 | 12:01Sucre rühmt sich seines prähistorischen Erbes, welches kurz vor der Stadt in einem Steinbruch auf zahlungswillige Touristen wartet. Dort hat man vor einigen Jahren bei Steinsprengungen Dinosaurierspuren entdeckt. Kurioserweise auf vertikalen Plattformen, welches wohl dadurch bedingt ist, dass sich die Erdschichten in Jahrmillionen aufgefaltet haben. Die geschäftstüchtigen Besitzer erkannten das touristische Potential und nun kann man die sich kreuz und quer über die Steinplatten ziehenden Spuren bewundern- allerdings nur durch ein Fernglas, da man nicht an den Rand des Felsen heran darf. Dafür kann man einen eigens zur Verfügung gestellten Dinosaurierbus zum Steinbruch nehmen und dort das ganze von einem Aussichtsbalkon aus beschauen. Nachdem wir, Stephan, Inga, ein Mädel aus Hannover und ich dort jedoch festgestellt haben, dass der bestmögliche Blick auf die Spuren durch den abgrenzenden Maschendrahtzaun auch nicht schlechter ist, als von innen, verzichten wir auf den Eintritt. Das war wohl etwas mager. Etwas enttäuscht fahren wir mit einem geteilten Taxi zurück in die Stadt, trösten uns im Mercado local mit einer Nudelsuppe (von der wir sogar Nachschlag bekommen) und machen uns auf die Suche nach den “richtigen Spuren”. Die soll es nämlich durchaus geben. In Ninu Mayu, ca. 3 Stunden von Sucre entfernt, nur mit dem 4WD erreichbar, aber dafür hautnah. Allerdings gestaltet es sich als schwierig, eine Exkursion zu finden: die Backpacker-Agencies sind erstaunlich teuer, die Touristenbüros bieten nur Pakete an, wo man gleich noch drei “abgelegene, authentische Handwerksdörfer” besuchen muss, worauf wir wenig Lust haben. Außerdem: große Herden-nein danke.
So verbringen wir noch den halben folgenden Tag damit, nach einer Möglichkeit Ausschau zu halten, die uns dorthin bringt. Schließlich habe ich, fast, Erfolg. Nachdem mir nun schon in mehreren Büros vermittelt wurde, dass die Strecke an einem Tag nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu schaffen ist, bietet mir die etwas träge, kaugummikauende Dame in einer Info an, sie könne einen privaten Guide vermitteln. Der ist allerdings gerade nicht da. Wir hinterlassen die Nummer vom Hostel und bekommen etwas später einen Anruf. Der Guide sei jetzt zu sprechen. Also wir wieder hin zum Office. Der Guide, Pablo, ist in unserem Alter, spricht für uns verständliches Spanisch und macht uns ein Angebot für eine maßgeschneiderte Exkursion: direkte Hinfahrt ins Maragua-Tal und von dort Wanderug in ca. 3 Stunden bis zu den Spuren und zurück. Inkl. Mittagessen und Fahrt im Jeep. Die einzige Unwägbarkeit sei, ob der Fluß niedrig genug stünde, dass man hindurchfahren könne. Wenn wir noch ein, zwei Leute mehr wären, wird´s entsprechend billiger. Super, vor allem, da der Preis schon so unter dem der Agencies liegt. Wir haben bis 18 Uhr Zeit, uns zu entscheiden und kehren so ins Hostel zurück, um noch Leute aufzugabeln, die vielleicht mitwollen. Allerdings ohne Erfolg. So kehren wir um viertel vor sechs zum Office zurück, fahren wir halt alleine, auch wenn es das Budget strapaziert. Ich will jetzt Dino-Spuren sehen. Vor dem Büro angekommen, ziehe ich allerdings ein langes Gesicht: die Dame hat scheinbar etwas sehr pünktlich die Schaufel fallen lassen. Zumindest ist alles schon verrammelt und verlassen. Toll! Also versuchen wir Pablo per Handy aus einem der zahlreichen Telefonbüros zu erreichen. Aber auch hier kein Erfolg. Unter der Nummer komme ich nicht durch und nur eine verzerrte Computerstimme teilt mir mit, das der Anschluss nicht zur Verfügung steht. Jetzt sinkt bei mir endgültig die Stimmung und ich sehe unseren schwer erkämpften Ausflug den Bach hinunterschwimmen. Zum Glück erlaubt sich Stephan etwas mehr Optimismus und so überredet er mich, trotz der fortgeschrittenen Zeit um 21.00 Uhr nochmal bei Pablo anzurufen. Und siehe da: ich komme durch und dieser meint, er bekäme es noch hin- morgen früh um sechs hole er uns am Hostel ab. Fettes Grinsen bei mir. Sehe ich die Spuren also doch noch! Nach einer, dank rücksichtsloser Hostelmitbewohner, sehr kurzen Nacht stehen wir pünktlich um kurz vor sechs vorm Hostel. Kurz danach taucht Pablo auf. Allerdings zu Fuß – ohne Auto. Da wir so spät angerufen hätten, sei bei seinen ganzen Kontakten das Fahrzeug bereits anderweitig vergeben gewesen, erklärt er. Der einzige freie Wagen sei gerade in der Werkstatt. Unsere einzige Chance ist, bis 11.30 Uhr zu warten. Dann soll das Auto hoffentlich fertig sein und man könne noch lostfahren. Also verabreden wir uns für halb zwölf und steigen wieder die Treppen zu unserem Zimmer hinauf. Wir genehmigen uns noch ein paar Stunden Schlaf, frühstücken und stehen dann wiederum pünktlich vorm Hostel bereit. Wieder taucht Pablo wenig später auf. Wieder allerdings ohne Auto. Der Wagen sei noch nicht ganz fertig, er warte auf den Anruf des Besitzers, so die Erklärung. AAAArrrrggghhh. Ich bin mehr frustriert, als sauer, denn damit, dass uns der Ausflug jetzt noch durch die Lappen geht, will ich mich eigentlich nicht abfinden. Aber anscheinend hat sich doch noch nicht alles gegen uns verschworen, denn 20 min. später taucht der Besitzer und Fahrer des Pick-ups auf und es kann endlich losgehen!
Nach ca. 1,5 Stunden kommen wir an einem Aussichtspunkt an, von welchem man den Krater Maragua aus gut sehen kann. Diese schüsselartige Landschaftsform sieht aus, als hätte jemand einen riesigen Marmorkuchenteig angerührt und die weiche, elastische Masse in der Landschaft verteilt. Anstelle von schwarz-weißem Vanille-Kakao-Pulver hat er grüne, rote und lila Speisefarbe verwendet, die das ansonsten einheitliche grau-braun der Landschaft heiter unterbrechen. Die Erde, bzw. das Gestein hier ist extrem mineralienhaltig und so leuchtet der aufgerissene, tief erodierte Boden in verschiedenen Farben auf. Geologen hätten ihr ihre helle Freude, den allenthalben liegen die deutlich sichtbaren Gesteinsschichten so offen vor einem, dass sie demjenigen, der darin lesen kann, bestimmt die ein oder andere Geschichte erzählen könnten.
Noch eine knappe Stunde brauchen wir bis zu dem Ort am Rand eines ausgetrockneten Flußbettes, wo wir den Wagen samt Fahrer zurücklassen. Zum Glück können wir auch den Fluss passieren, der zwischen uns und dem Maraguatal liegt. Das 4WD bahnt sich ohne abzusaufen seinen Weg durch die Fluten. Hier sieht man auch ab und zu einen der knorrigen, immergrünen Brillo-Bäume, dessen Wurzeln tief reichen und dessen Blätter einen eigenartigen, intensiven Geruch haben sollen.
Dann geht es zu Fuß weiter. Pablo läuft voran. In der einen Hand das Handy, welches auch hier draußen für die immer notwendige Musikbeschallung sorgen muss. Zumindest solange, wie wir Sichtkontakt zu Sucre und das Telefon somit Funkkontakt zu den Antennen der Stadt hat. Damit ist es dann vorbei, als wir nach einer Weile im hügeligen auf und ab der Landschaft verschwinden. Wir sind nicht traurig drum. Von Zeit zu Zeit sammelt Pablo einen Stein auf, den er mit seiner Schleuder in Richtung der bellenden Hunde am Wegrand verschießt. Stephan ist begeistert und lässt sich gleich eine kleine Schleuder-Schieß- Lehrstunde geben. So schwer ist´s nicht, nur sollte man aufpassen, nicht seinen eigenen Daumen zu treffen. Wir erklettern einen Schotterhügel, welcher mit lauter Haribo-Lakritz-Konfekten bedeckt scheint. Bei genauerem Hinsehen wir klar, dass es Obsidian ist in seinem vulkanischen Muttergestein.Die Umgebung hier ist, wie an vielen Orten in Südamerika, bedeckt mit schlafenden, ruhenden, erloschenen oder aktiven Vulkanen und so ist es nicht verwunderlich, immer mal auf Spuren der unterirdischen Aktivitäten zu treffen. Wer sich mal ein exorbitant teures Küchenmesser leisten will, checkt am besten Mal das Angebot an Obsidianmessern auf der Homepage von Messer-Dick. Dann aber vorher ein paar Kreislauftropfen parat stellen… Wir sammeln ein paar der vermeintlichen Lakritzkonfekte ein, vielleicht lässt sich ja dann zu Hause was daraus basteln. Dann geht es noch ein Stückchen weiter. Auf einmal haben wir freie Sicht auf eine geneigte Gesteinsplatform und erkennen schon aus der Entfernung die Vertiefungen, die sich quer darüber hinweg ziehen.
Wir sind da. T-Rex und Brontosaurus hautnah. Stephan macht gleich mal Pause in der badewannenartigen Vertiefung des Brontosauriers, während ich fasziniert meine (auch nicht gerade damenhaft zierlichen ) Wanderstiefel zum Vergleich daneben halte. Schwer vorstellbar, dass genau hier, vor Jahrmillionen die riesigen Echsen herumgezogen sind, auf der Suche nach Futter und Wasser diesen damals schlammigen Bereich gequert haben, der große friedliche Pflanzenfresser vielleicht bedrängt von einer Gruppe der feindlichen Jäger, und dabei die Abdrücke hinterlassen haben, die uns heute ihre Gegenwart bezeugen.
Nach einer Weile machen wir uns wieder auf den Rückweg, genießen noch einmal den Ausblick auf den Cráter Maragua, der durch die abendlich tiefstehende Sonne in ein interessantes Farbspiel getaucht wird und erreichen nach nochmal anderthalb Stunden Fußmarsch wieder das Auto samt wartendem Fahrer. Auf halber Fahrstrecke zurück Richtung Sucre machen wir noch in einem Dorf Halt, wo Paplo bei einer befreundeten alten indigenen Senora für uns Abendessen bestellt hat. Und so bekommen wir, auf den niedrigen, wackeligen Holzbänkchen vor ihrem Haus sitzend, umgeben von einer Menge Katzen und Hunden (Meerschweinchen und Hasen)eine ordentliche Schüssel Gemüseeintopf mit Fideos (einheimische Nudeln ohne Ei, die deshalb vor dem kochen angeröstet werden, damit sie nicht im Wasser zerfallen) und einem Spiegelei drauf serviert. Großartig. Stephan fragt zur Begeisterung der greisen Dame (92 Jahre alt) noch nach Nachschlag und moppelt diesen noch weg. Mit vollem Bauch geht es dann zurück nach Sucre, wo wir nur noch an der Matratze horchen.
Ihr wißt ja, dass ich ein Fan der Päläontologie und insbesondere der Dinos bin. Toll diese Aufnahmen von den Größenvergleichen euren Fußstapfen und „Pranken“ mit denen der Urzeitbewohner. Ein Erlebnis , was ich gerne mit euch geteilt hätte-aber eurer Bericht war so eindrucksvoll, dass man das Gefühl hatte dabei zu sein.